Inflation

Geldillusion trotz Inflationssorgen

Die Deutschen machen sich große Sorgen wegen der Inflation, haben aber gleichzeitig Schwierigkeiten, richtig mit ihr umzugehen. Viele sitzen in der Nominalwertfalle. Zwar haben Sie vor der Inflation mehr Angst als vor Krieg, Klimawandel oder einer Rezession, trotzdem unterliegen sie der Geldillusion. Das zeigt die neue repräsentative Umfrage, die die GfK im Auftrag des Flossbach von Storch Research Institutes unter 2.000 Deutschen im Juli 2023 durchgeführt hat. Die Menschen schätzen den Zustand der Wirtschaft in Deutschland und den Zustand des Geldsystems schlechter ein als den Zustand Ihrer eigenen wirtschaftliche Situation. Obwohl sie auch beim Thema Geldanlage vor allem den Wertverzicht durch Inflation fürchten, hatte die Inflation bisher für die Mehrheit der Deutschen entweder keinen Einfluss auf ihre Einstellung zu Spareinlagen oder führte aufgrund der gesteigerten Zinsen sogar zu erhöhter Attraktivität von Spareinlagen.

Die Ursache für das Problem ist die Einstellung der meisten Menschen zu Investitionen in Aktien. Die Deutschen assoziieren mit dem Wort insbesondere „Risiko“ und „Spekulation“.  Sowohl bei der Frage nach regelmäßigen kleineren Beträgen über eine lange Zeit als auch bei einer größeren Einmalinvestition schneiden Aktien nicht gut ab. Ein Grund dafür liegt in der mangelnden Verlusttoleranz.

Problematisch wird die Einstellung insbesondere mit Blick auf die Altersvorsorge der Deutschen. Zwar vertrauen die meisten auf ihr eigenes Vermögen, ohne Sachwerte wird es bei dauerhaft höherer Inflation aber schwierig, überhaupt eine Chance zu haben, die Vermögensziele zu erreichen.

 

1. Inflationssorgen größer als Sorge vor Krieg und Klimawandel

Wir leben in Zeiten verschiedener Krisen und Herausforderungen. Deshalb wollten wir von den Teilnehmern wissen, wie besorgt sie über die unterschiedlichen Krisenphänomene sind. 78 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass sie sich starke oder sehr starke Sorgen über Inflation machen. Auf Platz 2 liegt die Sorge vor Krieg mit einem Wert von 67 Prozent, dicht gefolgt von Klimawandel mit 64 Prozent. Leicht abgeschlagen aber immer noch mehrheitlich sorgenvoll bewertet, landet die Sorge vor einer Rezession auf Platz 4 mit etwa 56 Prozent. Auch bei der Geldanlage ist die Inflation das größte Risiko, weit vor Liquiditätsproblemen und der Angst vor Volatilität.

Die große Mehrheit der Deutschen geht davon aus, dass die Inflation noch länger ein Problem bleiben wird.  Sie erwarten in den nächsten Jahren Inflationsraten pro Jahr, die deutlich über dem von der EZB proklamierten 2%-Ziel liegen. Weniger als 5 Prozent aller Teilnehmer geht von einer jährlichen Inflationsrate zwischen 0 und 2 Prozent aus. Über 75 Prozent gehen von einer jährlichen Inflationsrate von über 4 Prozent aus.

2. Viele Deutsche unterliegen der Geldillusion

Unter Geldillusion versteht man in der Theorie das wirtschaftspsychologische Phänomen, dass Menschen die Einschätzung des Geldwertes nach dem Nominalwert und nicht an der realen Kaufkraft ausrichten. Dieses Phänomen tritt besonders stark in Zeiten der Inflation auf, wenn zum Beispiel eine Lohnerhöhung um 5 Prozent bei einer gleichzeitigen Inflation von 7 Prozent als tatsächliche Lohnsteigerung und nicht als tatsächlicher Kaufkraftverlust wahrgenommen wird. Dieses Phänomen tritt bei vielen Deutschen auch bei der Geldanlage auf. Zwar sind die Zinsen wieder leicht angestiegen, aber gleichzeitig ist die Inflation stärker gestiegen. Damit ist die Anlage in Spareinlagen (Nominalwerte) unattraktiver geworden. 22 Prozent der Deutschen haben aber den Eindruck, dass Spareinlagen mit dem Anstieg der Zinsen wieder attraktiver geworden sind. Das ist eine starke Form der Geldillusion. Keine Änderung der Attraktivität von Spareinlagen wahrzunehmen, deutet auf eine schwächere Form der Geldillusion hin.

Die Deutschen sind mit ihrer eigenen finanziellen Situation tendenziell zufriedener als mit der wirtschaftlichen Situation in Deutschland oder mit dem Zustand des Geldsystems. Zwar werden die Inflation und eine mögliche Rezession als Krise wahrgenommen, doch hat sich diese Krise bei vielen noch nicht hinreichend konkret bemerkbar gemacht. Zum einen ist die Arbeitslosenquote trotz vieler größerer Krisen in den letzten Jahren relativ niedrig geblieben und der Lohndruck auf dem Arbeitsmarkt hoch. Zum anderen kann dieses Ergebnis auch als Beleg für die Geldillusion herangezogen werden. Der nominale Betrag des Finanzvermögens der Deutschen hat sich positiv entwickelt. Laut Statistik der Bundesbank stieg das Geldvermögen der Privathaushalte in Deutschland im ersten Quartal um 146 Milliarden Euro auf etwa 7,4 Billionen Euro.1 Der Kaufkraftverlust durch die Inflation ist darin nicht berücksichtigt.

Bei der Altersvorsorge vertrauen die Deutschen insbesondere ihrem eigenen Vermögen. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung überwiegt dagegen das Misstrauen. Das Vertrauen in das eigene Vermögen ist ebenfalls ein Hinweis auf Geldillusion, wenn es nicht durch eine gegen Inflation ausgerichtete Anlagestrategie gerechtfertigt ist.

3. Aktien werden zu wenig als Inflationsschutz erkannt

Um sich langfristig vor Inflation zu schützen, bieten sich für Privatanleger insbesondere Investitionen in Aktien an. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, wie wenig die Deutschen bei der Geldanlage auf Aktien vertrauen. Gefragt wurden die Teilnehmer sowohl nach einer langfristigen Anlage eines kleineren Betrags kontinuierlich als auch nach einer größeren Einmalanlage. In beiden Fällen spielen Aktien nicht die Rolle, die sie eigentlich unter der Annahme einer dauerhaften Inflation spielen könnten. In beiden Fällen spielen Anlagen in Nominalwerte eine zu große Rolle.

Ein Grund dafür könnte die Wahrnehmung von Aktien als Spekulationsinstrument sein, das mit einem zu großen Risiko verbunden ist. Deshalb wurden die Teilnehmer gefragt, welchen Begriff sie am ehesten mit dem Wort Aktien verbinden. Im Ergebnis dominieren die Begriffe Spekulation und Risiko weit vor den positiv besetzten Begriffen wie Altersvorsorge oder Gewinn.

Für eine robustere Aktienkultur muss nach wie vor noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Kern des Problems könnte die Verlusttoleranz der Deutschen bei ihrer Geldanlage sein. Gefragt wurde, wieviel Verlust man bereit ist innerhalb eines Jahres in seiner Geldanlage zu ertragen. Das Ergebnis zeigt anschaulich, wie stark die Verlustaversion ausgeprägt ist.

4. Fazit

Die Verlustaversion der Deutschen bringt sie in der neuen Inflationszeit in ein neues Dilemma. Zu Zeiten der Null- und Negativzinsen gab es keine Möglichkeit, in der Geldanlage eine angemessene Rendite zu erwirtschaften, ohne ins Risiko zu gehen. Mit der Rückkehr der Zinsen scheint dieses Problem überwunden. Doch der Schein trügt. Die hohe Inflation sorgt dafür, dass die Geldanlagen in Nominalwerte einen noch größeren Realwertverlust erleiden, obwohl es höhere Zinsen gibt. Die Geldillusion führt dazu, dass der Verlust nicht wahrgenommen wird, da der nominale Geldbetrag nicht kleiner wird. Aktien werden aber nicht ausreichend als langfristig wirksamer Inflationsschutz angesehen. Darunter leidet die Geldanlage.

Die Deutschen spüren die Inflation täglich. Sie ist im Bewusstsein der meisten Menschen angekommen. Die Inflation verursacht auch mehr Sorgen als zum Beispiel ein Krieg oder der Klimawandel, Themen, die in den Medien dominieren. Viele Deutschen können aber nicht richtig mit ihr umgehen. Der Schaden, den die Inflation im Wert der Ersparnisse anrichtet, wird sich erst in Zukunft zeigen. Ist das Vertrauen in das eigene Vermögen in der Geldillusion begründet, kommt es beim Vermögensaufbau an der Ziellinie zur bösen Überraschung.

Geldvermögensbildung und Außenfinanzierung in Deutschland im ersten Quartal 2023 | Deutsche Bundesbank