In der Coronakrise gibt es einen Aktienboom in der jungen Generation. Es handelt sich dabei aber auf keinen Fall nur um Zocker, die den Nervenkitzel wollen und auf der Suche nach schnellem Reichtum den Aktienmarkt für sich neu entdecken.
Das Ergebnis der neuen Umfrage des Flossbach von Storch Research Institutes in Zusammenarbeit mit der GfK zeigt, dass ein gängiges Narrativ korrigiert werden muss, welches insbesondere im Zuge der Geschehnisse am Aktienmarkt rund um den Computerspielverkäufer GameStop an Fahrt aufgenommen hatte. Zwar gibt es eindeutig in der Coronakrise einen Aktienboom in der jungen Generation, aber es handelt sich dabei auf keinen Fall nur um Zocker, die den Nervenkitzel wollen und auf der Suche nach schnellem Reichtum den Aktienmarkt für sich neu entdecken. Junge Aktionäre gehen oft andere Wege, verfolgen aber genauso ernsthafte Absichten wie die ältere Generation. Sie wollen mehrheitlich Vermögen aufbauen, für das Alter vorsorgen oder für eine eigene Immobilie sparen. Der Aktienhandel ist für die überwiegende Mehrheit der Aktionäre in Deutschland, unabhängig vom Alter, ein seriöses Geschäft.
Um das Phänomen der jungen Aktionäre näher zu untersuchen, hat das Flossbach von Storch Research Institute in Zusammenarbeit mit der GfK eine Umfrage unter Aktionären in Deutschland durchgeführt (Umfragezeitraum Mai 2021). 1000 Teilnehmer der Altersgruppe 18-35 Jahre und 1000 Teilnehmer der Altersgruppe 36-65 Jahre haben jeweils Fragen rund um Ihre Handlungen und Einstellungen zum Thema Aktienanlage beantwortet. Die Zusammensetzung der Teilnehmer in den einzelnen Altersgruppen erfolgte nach vorheriger Ermittlung der soziodemographischen Struktur der Aktionäre. Die Ergebnisse erlauben einen Einblick in das Denken und Handeln junger Aktionäre im Vergleich zu den älteren Aktionären in Deutschland.
1. Junge Aktionäre während der Coronakrise im Aktienfieber
Knapp 44 % aller Aktionäre zwischen 18 und 35 Jahre haben während der Coronakrise zum ersten Mal in Aktien investiert. Über 38 % haben ihre Aktieninvestitionen ausgebaut. Diese Zahlen unterstreichen den Aktienboom in der jungen Generation. Die älteren Aktionäre haben im Zuge der Coronakrise etwas zurückhaltender auf dem Aktienmarkt agiert. Lediglich 12 % haben zum ersten Mal in Aktien investiert, für 38 % hatte die Coronakrise keine Auswirkungen auf ihre Aktieninvestitionen. Auch viele ältere Aktionäre haben die Coronakrise für Zukäufe genutzt, 41 % geben an, in der Coronakrise ihre Aktieninvestitionen gesteigert zu haben. Sowohl bei den älteren als auch bei den jüngeren Aktionären haben weniger als 10 % ihre Aktieninvestitionen während der Coronakrise verringert. Auch die älteren, aber insbesondere die jungen Aktionäre haben die Krise genutzt und in den Aktienmarkt investiert. Sie scheinen damit einen typischen Anlegerfehler vermieden zu haben: Zum falschen Zeitpunkt dem Aktienmarkt im Angesicht einer Krise den Rücken zuzukehren.
2. Junge Aktionäre setzen verstärkt auf Neo-Broker und informieren sich über ihre eigenen Netzwerke
Online-Broker von Banken und Sparkassen gehören bei Jung und Alt zu den beliebtesten Depotanbietern. Das Ergebnis zeigt aber auch, dass junge Aktionäre in viel größerem Ausmaß auf sogenannte Neo-Broker setzen. Anlageberater haben in beiden Altersgruppen eine geringere Bedeutung als Onlineanbieter. Neo-Broker wie etwa „Trade Republic“ oder „Robin Hood“ sind eine neue Form von Online-Broker, die mit Minimalgebühren den Markt erobern wollen. Seit dem „GameStop Phänomen“ werden sie verstärkt öffentlich diskutiert.
Etwas andere Wege gehen die jungen Aktionäre auch bei der Suche nach Informationen für die Aktieninvestitionen. Beide Gruppen betonen die Bedeutung der eigenen Recherchen. Während allerdings die älteren Aktionäre eher auf externe Informationen aus Börsensendungen, Zeitungen und Fachzeitschriften zurückgreifen, bekommen junge Aktionäre Informationen über eigene Netzwerke im Verwandten- und Freundeskreis oder auch über Social Media Plattformen.
3. Jung und Alt mit mehrheitlich langfristigen Anlagezielen, junge Aktionäre trotzdem mit kürzerem Anlagehorizont
Bei der Frage nach den Anlagemotiven zeigt sich, dass junge und alte Aktionäre mehrheitlich langfristige Anlageziele verfolgen. Knapp 70 Prozent der jungen Aktionäre geben an, für den Vermögensaufbau, die Altersvorsorge oder das eigene Haus/ die eigene Wohnung in Aktien zu investieren. Ältere Aktionäre erreichen in der Summe dieser Motive etwas über 80 Prozent, wobei die eigene Immobilie eine sehr viel geringere Bedeutung hat als bei den jungen Aktionären. Sowohl bei den jungen als auch bei den älteren Aktionären findet sich eine Mehrheit, für die Aktienanlage eine wichtige Säule des langfristigen Vermögensaufbaus darstellt und weniger ein Hobby, mit dem man etwas dazuverdienen möchte.
Fragt man nach dem zeitlichen Horizont der Aktienanlage, zeigt sich ein tendenzieller Unterschied zwischen den Altersgruppen. Während die älteren Aktionäre eher länger als für ein Jahr investieren, tendieren jüngere Aktionäre zu einem kürzeren Anlagehorizont. Durchaus konsistent ist dann die Antwort auf die Frage nach der spontanen Assoziation mit dem Wort Aktie. Junge Aktionäre assoziieren besonders stark das Wort Risiko, ältere Aktionäre eher das Wort Rendite.
4. Jüngere Aktionäre etwas bescheidener, beide Altersgruppen ohne Selbstüberschätzung
Die Umfrageteilnehmer wurden nach ihrer Renditeerwartung für ein breit gestreutes Aktienportfolio und nach der Renditeerwartung für ihr eigenes Portfolio gefragt. Die Antworten zeigen, dass junge Aktionäre tendenziell etwas bescheidenere Erwartungen an die langfristige Rendite pro Jahr haben. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass sich Aktionäre in Deutschland tendenziell nicht überschätzen und ihre eigenen Erwartungen mit ihrer allgemeinen Markterwartung übereinstimmen.
5. Kryptowährungen spielen bei jüngeren Aktionären eine viel größere Rolle
Junge und ältere Aktionäre in Deutschland sehen Aktien als besten Inflationsschutz für Finanzvermögen. Während bei den älteren Aktionären Gold an zweiter Stelle steht, überholt bei den jüngeren Aktionären Kryptogeld knapp das Gold. Sparbuch und Festgeld landen in beiden Altersgruppen erwartungsgemäß auf dem letzten Platz, wobei der Anteil mit knapp 17 Prozent bei jungen Aktionären eine relativ hoch ist.
Bei der hypothetischen Frage wie man 100.000 Euro fest angelegt für 20 Jahre zeigt sich, dass insbesondere ältere Aktionäre von der langfristigen Rentabilität der Aktienanlage überzeugt sind. Sowohl junge als auch ältere Aktionäre setzen häufig langfristig auf Immobilien. Bemerkenswert ist die Häufigkeit, in der junge Aktionäre das Geld übe 20 Jahre in Kryptowährungen investieren würden. Offenbar trauen viele junge Aktionäre den Kryptwährungen eine große Zukunft zu.
Fazit: Aktienhandel für junge und alte Aktionäre ein seriöses Geschäft
Viele junge Aktionäre haben während der Coronakrise zum ersten Mal in Aktien investiert. Waren sie bereits Aktionär, haben die meisten ihre Aktieninvestitionen ausgeweitet. Man kann von einem Aktienboom der jungen Generation sprechen. Die Ziele und Einstellungen der jungen Aktionäre zeigen aber, dass das populäre Narrativ vom zockenden Jungaktionär nicht zutrifft. Dies unterstreicht auch die letzte Grafik. Knapp 75 Prozent der jungen Aktionäre sehen den Aktienhandel als ein seriöses Geschäft an.
Die Unterschiede im Anlagehorizont oder bei der spontanen Assoziation mit dem Wort Aktie (Risiko vs. Rendite) könnten auf die tendenziell größere Unerfahrenheit junger Aktionäre zurückzuführen sein. Die optimistische Wahrnehmung von Kryptowährungen bei jungen Aktionären steigert die Erwartungen an die Zukunft dieser Technologie.