Girls Day

"Bei uns hat die Kunstlehrerin Wirtschaft unterrichtet"

Brauchen junge Leute mehr Wirtschaftsunterricht? Darüber diskutiert die Politik. Wir haben uns unter Jugendlichen am Girls‘ and Boys‘ Day umgehört. Ihre Meinung fällt deutlich aus.

Wie viel Wirtschaft soll an Schulen unterrichtet werden? Darüber streitet die Politik seit vielen Jahren. Die einen meinen, es sei zu viel, die anderen sage, es sei zu wenig. Zum aktuellen Stand der Dinge in Sachen Ökonomische Bildung im föderalen Bildungswesen gibt es die OeBiX-Studie. Aber wie schildern Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Erfahrungen mit Wirtschaft im Unterricht?

Am Girls‘ & Boys‘ Day 2021 haben wir die Gelegenheit genutzt und Schülerinnen und Schüler aus dem ganzen Bundesgebiet gebeten, uns ihre Erfahrungen zu schildern. Die folgenden Aussagen sind nicht repräsentativ, aber deutlich.

Viele Schülerinnen und Schüler wollen wissen, wie Wirtschaft funktioniert, weil sie sehen, dass sie dieses Thema ein Leben lang begleiten wird. Ein Schüler aus einer zwölften Klasse in Hessen sagt: „Wir brauchen Wirtschaftsunterricht als Pflichtfach in der Oberstufe als Vorbereitung für den Berufseinstieg. Religionsunterricht ist nicht abwählbar, da müssen wir uns die Frage stellen: Was ist eigentlich wichtiger für unsere eigene Zukunft?“

Ein Schüler aus der zehnten Klasse konkretisiert diesen Punkt noch: „Im Fach Sozialwissenschaften behandeln wir zwar Wirtschaftsformen, aber leider nicht Geld, Geldanlage und Steuern aus dem Wirtschaftsbereich. Da wird ein Bogen drum gemacht, mit dem Argument, es sei zu viel anderer Stoff zu bewältigen, aber gerade mehr Wirtschaftsinhalte brauchen wir.“

Viele Schülerinnen und Schüler berichteten uns auch, dass ökonomische Bildungsinhalte oft nur eine kleine Rolle im Unterricht spielen. Eine Neuntklässlerin: „Das Fach „Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung“ wird leider bei uns nur mit einer Schulstunde pro Woche unterrichtet und jeder weiß, dass das leider viel zu wenig ist.“ Eine andere Schülerin ergänzt das: „Im Fach Sozialkunde beschäftigen wir uns ausschließlich mit dem Wirtschaftskreislaufmodell, stattdessen möchte ich mehr über Wirtschaft im Alltag erfahren.“

Wie wichtig dieses Thema ist, erklärt eine Achtklässlerin: „Ich finde, dass Schule der geeignete Ort für das Vermitteln von Wirtschaftsthemen ist, aber bei uns hat unsere Kunst- und Bio-Lehrerin Wirtschaftsunterricht gemacht. Sie hat selbst gesagt, dass sie sich damit unwohl fühlt, weil sie es nicht studiert hat, sondern nur eine Weiterbildung hatte.“ Eine Neuntklässlerin erzählte folgende Begebenheit: „Wir haben im Unterricht demokratisch abgestimmt, ob wir Politik- und Wirtschaftsinhalte behandeln wollen. Als sich dann unsere Klasse mehrheitlich für Wirtschaftsinhalte ausgesprochen hat, ignorierte unser Lehrer, der nicht für Wirtschaftsdidaktik qualifiziert ist, das und behandelte trotzdem ausschließlich ‚Krieg und Frieden‘.“

Der Mangel an Wirtschaftsunterricht wird demnach auf dem Rücken der Jugendlichen und der Lehrerinnen und Lehrer ausgetragen. Ohne Nebenfach Wirtschaft keine fundierten Lehramtsstudiengänge. Ein didaktischer Armutskreislauf, wie es in Fachkreisen heißt. Wie es um die Ökonomischen Bildung in Deutschland steht, dazu liefert die OeBiX-Studie Fakten: www.oebix-studie.de