Wie entwickelt sich die Finanzbildung Deutschland und Österreich? Dazu gab es an der ESMT in Berlin eine spannende Diskussionsrunde.
Grundlegende Kenntnisse aus dem Bereich der finanziellen Bildung bilden einen wichtigen Grundstein für ein selbstbestimmtes Leben. Aber wie entwickeln sich diese Kenntnisse in einzelnen Ländern? Dazu hatte unter dem Titel „Finanzielle Bildung: der Welt zum selbstbestimmten Leben“ die European School of Management and Technology in Berlin (ESMT) gemeinsam mit der Österreichischen Botschaft zu einer Diskussionsrunde eingeladen.
Prof. Dr. Jörg Rocholl, Präsident der ESMT, moderierte die Runde und ordnete das Thema der ökonomischen Bildung in den großen Zusammenhang ein: vom Modell des ökonomisch handelnden Menschen über Digitalisierung bis hin zu Fragen der Regulierung für Bildung. Die Diskussion prägte der Austausch über deutsche und österreichische Erfahrungen mit der Finanzbildung: Während Österreich seit mittlerweile einem Jahr eine eigene nationale Finanzbildungsstrategie beschlossen hat, um die Finanzbildung im Lande zu verbessern, fehlt eine solche Strategie in Deutschland (und einigen anderen wenigen EU-Staaten) bislang.
Im Gespräch hielt Nicola Brandt, die Leiterin des OECD Berlin Centre, fest: Außer Irland, Litauen, Malta und Deutschland seien alle OECD-Länder der Empfehlung der Europäischen Kommission und OECD gefolgt und hätten nationale Finanzbildungsstrategien entwickelt. Viele dieser Strategien befänden sich auch schon einem fortgeschrittenen Umsetzungsstadium. Die Idee, nationale Finanzbildungsstrategien zu entwickeln, war nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers 2008 und der globalen Finanzkrise entstanden. Die Finanzbildungsstrategien sollen den Menschen helfen, bessere Entscheidungen in Finanzfragen zu treffen und so auch Krisenzeiten finanziell besser überstehen zu können.
Der Gouverneur der Österreichischen Nationalbank Prof. Dr. Robert Holzmann betonte, dass jeder junge Mensch ein Grundrüstzeug für den Umgang mit Finanzen mit auf seinen Weg bekommen sollte. Die nationale Finanzbildungsstrategie zielt deshalb darauf ab, dass die Österreicherinnen und Österreicher im Ergebnis ihre Rolle im gesamtwirtschaftlichen Umfeld verstehen und wissen, wie sie durch ein informiertes und verantwortungsbewusstes persönliches Finanzmanagement zu dessen nachhaltiger Entwicklung beitragen können. Ein weiteres Ziel ist es, dass die Menschen in Österreich eine langfristige Sichtweise in Bezug auf Geld- und Finanzfragen entwickeln und vorausplanend handeln, um die finanzielle Sicherheit über das Erwerbsalter hinaus zu gewährleisten. Außerdem sollen die Menschen durch die Finanzstrategie in verschiedenen Lebensphasen Unterstützung bei der Aneignung des von ihnen benötigten Finanzwissens erhalten und wissen, wo sie einfach zugängliche, an ihre Situation angepasste und qualitativ hochwertige Finanzbildungsangebote finden können. Am Ende müsse das Motto der Finanzstrategie als Erkenntnis stehen: „Mein Geld. Mein Leben. Meine Entscheidung. Ich bin mir sicher.“
Damit diese langfristig ausgerichteten Ziele erreicht werden können, sei es wichtig gewesen, alle wichtigen Stakeholder von Anfang an einzubinden und gemeinsam die Finanzbildungsstrategie zu entwickeln, wie Magister Harald Waiglein, Sektionschef Wirtschaftspolitik, Finanzmärkte und Zoll im österreichischen Finanzministerium, in seinem Beitrag betonte. Involviert waren unter anderem das Wirtschaftsministerium, das Finanzministerium, Wissenschaft und Universitäten sowie Arbeitnehmer- und Arbeitgeberschaft.
Anders als in Österreich noch keine entsprechende nationale Finanzbildungsstrategie in Sicht. Aber vielleicht wecke gerade dieser Umstand den Sportsgeist der Deutschen, ergänzte Dr. Ingrid Hengster, Country CEO Germany von Barclays Deutschland. Dies können die Chance sein, dass Deutschland als eines der letzten EU-Länder nicht noch länger ohne eine entsprechende Finanzbildungsstrategie bleiben wolle. Zur Unterstützung sei es wichtig, dieses Thema regelmäßig in die Öffentlichkeit zu tragen. Sabine Heimbach, Hauptgeschäftsführerin des Bayerischen Bankenverbands, ergänzte dazu, dass die Bezüge zur Lebenswirklichkeit bei der Finanzbildung so wichtig seien. Auch dies müsse in einer nationalen Finanzbildungsstrategie berücksichtigt werden.
In der ESMT-Diskussionsrunde berichtete Verena von Hugo, Vorstand der Flossbach von Storch Stiftung, über die Arbeit des vor anderthalb Jahren gegründeten Bündnis Ökonomische Bildung Deutschland (BÖB). Der Fokus des BÖB liegt auf der Schule, weil dort alle Kinder und Jugendliche erreicht werden. Denn bislang geschehen Bildung und Prägung in Bezug auf Finanzen in Deutschland überwiegend in der Familie. Damit hängt es vom sozioökonomischen Hintergrund ab, wie junge Menschen den Umgang mit Geld- und Finanzdingen erlernen und was sie über ökonomische Zusammenhänge wissen ökonomische Bildung erfahren oder nicht. Objektive, allgemeinbildende praktische Impulse von außen fehlen häufig ganz. So geht Chancengerechtigkeit verloren.
Damit sich auch junge Menschen in wirtschaftlichen und finanziellen Fragen orientieren und kompetent handeln können, müssen sie sich dieser Fragestellungen bewusst sein und über entsprechende Urteils-, Entscheidungs- und Handlungskompetenzen verfügen. Der Ort dafür ist die Schule; leider sucht man ein Schulfach Wirtschaft bis auf wenige Ausnahmen hierzulande vergebens.
Wie groß die Aufgabe ist, hat die OeBiX-Studie zum Stand der ökonomischen Bildung in Deutschland erhoben: Kein Bundesland erreicht – trotz mancher Anstrengung in der Vergangenheit – das Ziel, ökonomische Bildung als Nebenfach schulformübergreifend zu etablieren. Nur fünf der 16 Bundesländer erfüllen mehr als 50 Prozent der Anforderungen, die für ein richtig verankertes Nebenfach im Bildungssystem aus Schule und Hochschule notwendig sind. Die Ergebnisse der OeBiX-Studie im Detail: www.oebix-studie.de