Für die Flossbach von Storch Stiftung hat das Institut für Ökonomische Bildung an der Universität Oldenburg mit einer Studie den Stand der Ökonomischen Bildung an deutschen Schulen und Hochschulen erhoben. Die Studienergebnisse fließen in den Index Ökonomische Bildung in Deutschland (OeBiX) ein. Der OeBiX gibt an, wie gut die institutionellen Rahmenbedingungen für die Ökonomische Bildung in einem Bundesland sind.
Der OeBiX-Gesamtindex misst mit seinen beiden Teilindizes Schule und Lehrkräftebildung, wie weit die Anforderungen erfüllt sind, damit ökonomische Bildungsinhalte vollwertig als Nebenfach zum einen an der Schule unterrichtet, zum anderen aber auch in Lehramtsstudiengängen an den Hochschulen gelehrt werden können. Erhoben wurden unter anderem Stundenkontingente, Belegpflichten, fachdidaktische Professuren und ökonomische Studienanteile.
Auf dem Weg zu einem Nebenfach Wirtschaft liegt vor den meisten Bundesländern noch ein langer Weg: Kein Bundesland erreicht – trotz mancher Anstrengung in der Vergangenheit – das Ziel, Ökonomische Bildung als Nebenfach schulformübergreifend zu etablieren. Sowohl bei der Ausgestaltung in der Schule als auch an der Hochschule gibt es viele Mängel. Wo diese Mängel liegen und wie weit die einzelnen Bundesländer von einem Nebenfach „Wirtschaft“ entfernt sind, zeigt erstmals der Index Ökonomische Bildung in Deutschland, kurz „OeBiX“ genannt. Der Index legt die Grundausstattung eines Nebenfachs, wie sie für bereits etablierte Nebenfächer im föderalen Bildungssystem schon lange Realität ist, als Bezugsgröße mit 100 Prozent zugrunde.
Die Anforderungen, die die OeBiX-Studie dabei an ein Nebenfach stellt, sind nicht besonders hoch: Der OeBiX vergibt 100 Prozent für ein vollwertig etabliertes Nebenfach Wirtschaft, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: In der Sekundarstufe I wird im Pflichtbereich das (Anker-)Fach mit mindestens sechs Kontingentstunden unterrichtet und im Wahlpflichtbereich mit zwei Kontingentstunden angeboten; in der Sekundarstufe II bestehen eine Belegungs- und Einbringungsverpflichtung sowie die Möglichkeit, das Fach als Prüfungsfach auf erhöhtem Niveau (Leistungskurs) zu wählen. In der Lehrkräftebildung sind 100 Prozent dann erreicht, wenn die ECTS -Punkte für das Studienfach denen eines normalen anderen Fachs in der Lehrerbildung entsprechen (ECTS = European Credit Transfer System) und jeder Hochschulstandort, an dem Wirtschaftslehrkräfte ausgebildet werden, über eine eigene wirtschaftsdidaktische Professur verfügt.
Seit rund 20 Jahren gelingt es in Deutschland nicht, den seinerzeit geforderten Mindeststandard, ökonomische Bildungsinhalte schulformübergreifend in der Sekundarstufe I jeweils mit 200 Unterrichtsstunden zu verankern, zu erfüllen. Diese Forderung hatte im Februar 2003 die „Gemeinsame Arbeitsgruppe“ der WMK, KMK, der BDA, des BDI, DIHK, ZDH und DGB als „Eckpunkte" in ihren gemeinsamen „Empfehlungen für ein Kerncurriculum Wirtschaft" aufgestellt.
Rund zwei Jahrzehnte später ist diese Forderung noch immer nicht umgesetzt: Zwar reichen manche Bundesländer mit ihren nicht-gymnasialen Schulformen an diesen Mindeststandard fast heran. Doch die meisten Bundesländer sind – insbesondere am Gymnasium – noch weit davon entfernt: Während in fünf Bundesländern in den nicht-gymnasialen Schulformen Ökonomische Bildung mit zumindest mehr als 150 Stunden unterrichtet wird, erreichen in der gymnasialen Sekundarstufe I derzeit nur Nordrhein-Westfalen und Hessen diese Marke von 150 Stunden. Andere Bundesländer liegen teilweise dramatisch unter diesem Wert: Schlusslicht in der gymnasialen Sekundarstufe I ist Berlin mit rund 30 Stunden, Schlusslicht in der nicht-gymnasialen Sekundarstufe I ist Thüringen mit weniger als 25 Stunden.
Für den OeBiX wurde die Situation eines normalen Nebenfaches als Hundertprozentmarke gesetzt. Dazu gehören sechs Pflichtstunden und zwei Wahlpflichtstunden Wirtschaft in der Sekundarstufe I, eine Belegungspflicht in der gymnasialen Oberstufe und die Möglichkeit einer Abiturprüfung auf grundlegendem und erhöhtem Niveau. In der Lehrkräftebildung sind 100 Prozent dann gegeben, wenn jeder Hochschulstandort eine wirtschaftsdidaktische Professur vorhalten kann und die ECTS-Kreditpunkte für das Fach einem normalen anderen Fach in der Lehrkräftebildung entsprechen (ECTS = European Credit Transfer System).
Der OeBiX zeigt, dass alle Bundesländer von dieser Ziellinie noch weit entfernt sind: Elf Bundesländer erfüllen nicht einmal 50 Prozent der Anforderungen, die für das Etablieren eines normal ausgestatteten Nebenfachs Wirtschaft an der Schule und eines entsprechenden qualifizierenden Lehramtsstudiengangs an der Hochschule notwendig wären. Mit Niedersachsen, Baden-Württemberg, Bayern, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt liegen fünf Bundesländer über der Marke von 50 Prozent, das Land Nordrhein-Westfalen scheitert knapp an dieser Grenze.
Die Spitzenreiter im OeBiX-Gesamtindex sind Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern: Niedersachsen erreicht im OeBiX mit 73,91 Prozent den ersten Platz, Baden-Württemberg kommt mit 66,22 Prozent auf Platz zwei, dicht gefolgt von Bayern auf Platz drei mit 63,84 Prozent.
Während Bayern und Niedersachsen in den beiden Teilindizes Schule und Lehrkräftebildung auf gleichem, relativ hohem Niveau abschneiden, punktet Baden-Württemberg vor allem mit dem Teilindex Lehrkräftebildung. Auch wenn diese drei Bundesländer deutlich besser gerankt sind als die anderen 13 Bundesländer – selbst sie sind noch zum Teil deutlich entfernt von den 100 Prozent für ein normales Nebenfach Wirtschaft.
Am niedrigsten bewertet wurden im OeBiX-Gesamtindex Rheinland-Pfalz, Sachsen und das Saarland. Am schlechtesten schneidet Rheinland-Pfalz im OeBiX mit gerade einmal 23,15 Prozent auf Platz 16 ab. Sachsen liegt mit insgesamt 27,42 Prozent auf dem 15. Rang. Das Saarland kommt mit 34,43 Prozent auf Platz 14.
Als besonders defizitär sind in diesen Bundesländern die Rahmenbedingungen in der Lehrkräftebildung zu bewerten. Am deutlichsten wird dies beim Saarland, da die schlechte Platzierung im Index fast ausschließlich auf dem Teilindex Lehrkräftebildung beruht, der mit nicht einmal acht Prozent ausgeprägt niedrig ist, wohingegen der Teilindex Schule mit fast 50 Prozent im Mittel liegt. Insgesamt ist die Verankerung der Ökonomischen Bildung in diesen drei Bundesländern als besonders prekär zu beschreiben.
Große Defizite herrschen in der Lehrkräftebildung – einem der beiden Teilindizes des OeBiX. Im Teilindex Lehrkräftebildung werden zum einen die wirtschaftlichen Anteile im Studium berücksichtigt und zum anderen die Ausstattung mit fachdidaktischen Professuren an Standorten, an denen die jeweiligen Fächer studiert werden können.
Auffällig ist, dass viele Bundesländer in diesem Teilindex besonders niedrige Werte erhalten: Besonders dramatisch ist dieser Mangel im Saarland (7,58 Prozent) und in Bremen (4,45 Prozent). Im Bundesdurchschnitt werden die Anforderungen bezüglich Lehramtsstudiengänge und fachdidaktische Professuren nicht einmal zu 40 Prozent erreicht.
In manchen Bundesländern findet so gut wie gar keine Lehrkräfteausbildung für Fächer der Ökonomischen Bildung statt. Dies betrifft die wirtschaftswissenschaftlichen und wirtschaftsdidaktischen Anteile im Lehramtsstudium und die wirtschaftsdidaktischen Professuren pro Ausbildungsstandort. In Bremen liegt dieser Teilindex bei unter fünf Prozent und im Saarland bei unter acht Prozent. Rheinland-Pfalz auf Platz 14 erreicht mit 16,75 Prozent einen mehr als doppelt so hohen Wert. Wichtig: Die geringe Größe der Bundesländer hatte in der Untersuchung keinen Einfluss auf das Ergebnis im Teilindex.
Besser sieht es in der Spitzengruppe aus: Baden-Württemberg (86,60 Prozent), Niedersachsen (71,15 Prozent) und Bayern (61,82 Prozent) belegen die Plätze eins bis drei. Spitzenreiter ist Baden-Württemberg: Das Bundesland kommt der Standardausstattung eines Nebenfachs bei der Lehrkräftebildung an seinen Hochschulen sehr nahe.
Sechs Kontingentstunden – das ist schulformübergreifend der Stundenumfang für ein normales Nebenfach im Pflichtbereich der Sekundarstufe I. Aber: Bei der Ökonomischen Bildung erreicht kein Bundesland diesen Wert. Weder in der gymnasialen Sekundarstufe I, noch in den Sekundarstufen I nicht-gymnasialer Schulformen. Dabei liegt die Kontingentstundenanzahl (eine Kontingentstunde = 38 Unterrichtsstunden) der Ökonomischen Bildung in der gymnasialen Sekundarstufe I in den meisten Bundesländern unter der Stundenzahl in den nicht-gymnasialen Schulformen. In vielen Fällen ist es nicht einmal die Hälfte.
Auffällig ist, dass Ökonomische Bildung an Gymnasien in der Regel deutlich schlechter verankert ist als an den nicht-gymnasialen Schulformen. In sechs Bundesländern macht diese Differenz zwei Kontingentstunden oder mehr aus.
Im Teilindex Schule belegen die Bundesländer Niedersachsen (75,29 Prozent), Bremen (67,66 Prozent) und Bayern (63,83 Prozent) die ersten drei Plätze. Die Bundesländer Hamburg (33,14 Prozent), Sachsen (30,32 Prozent) und Rheinland-Pfalz (26,35 Prozent) bilden die Schlusslichter in diesem Teilindex. Der Abstand zwischen Spitzenreiter Niedersachsen und Schlusslicht Rheinland-Pfalz beträgt 48,94 Prozentpunkte.
Ökonomische Bildung ist in der gymnasialen Sekundarstufe I im Vergleich zu anderen Nebenfächern (ohne Wahlpflichtfächer) deutlich – und zum Teil dramatisch – schlechter verankert. Vergleichbare Fächer aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Bereich wie Erdkunde oder Geschichte sind deutlich besser mit Kontingentstunden im Pflichtbereich der Sekundarstufe I am Gymnasium ausgestattet. Ebenso die naturwissenschaftlichen Fächer und insbesondere Sport. Am größten ist die Differenz in Hamburg. Hier gibt es mehr als zwölfmal so viele Kontingentstunden für Sportunterricht wie für Ökonomische Bildung. Es entfallen nur 1,41 Kontingentstunden (KS) auf ökonomische Bildungsinhalte, während etwa Erdkunde (7,39 KS), Geschichte (7,39 KS) oder Biologie (6,59 KS) mit wesentlich mehr Kontingentstunden unterrichtet werden (eine Kontingentstunde entspricht 38 Unterrichtsstunden).
Auch an den nicht-gymnasialen Schulformen, an denen die Ökonomische Bildung tendenziell besser verankert ist, sind die Unterschiede zu anderen Nebenfächern zum Teil gravierend. Es gibt mit Berlin nur eine Ausnahme, wo die Ökonomische Bildung in der Ausstattung der Kontingentstunden im Pflichtbereich der Sekundarstufe I an nicht-gymnasialen Schulformen ein wenig besser ist als in Erdkunde und Geschichte. Ansonsten ist die Ökonomische Bildung überall Schlusslicht unter den Nebenfächern, insbesondere im Vergleich mit den naturwissenschaftlichen Fächern und dem Sportunterricht.
Das Beispiel Hamburg macht das deutlich: Dort entfallen nur 1,19 Kontingentstunden (KS) auf ökonomische Bildungsinhalte, während etwa Erdkunde (6,22 KS), Geschichte (6,22 KS) oder Biologie (6,40 KS) mit wesentlich mehr Kontingentstunden unterrichtet werden (eine Kontingentstunde entspricht 38 Unterrichtsstunden).
Der OeBiX ist ein Maß für die Verankerung der Ökonomischen Bildung an allgemeinbildenden weiterführenden Schulen in Deutschland. Im Kern gibt er Auskunft darüber, wie gut Wirtschaft im Fächerkanon der jeweiligen Schulen in den Sekundarstufen I und II und an den Hochschulen etabliert ist. Er setzt sich zusammen aus einem Teilindex Schule und einem Teilindex Lehrkräftebildung.
Der Teilindex untersucht mit verschiedenen Variablen den Unterrichtsanteil ökonomischer Lehrinhalte gemessen an Kontingentstunden in den Sekundarstufen I und II in den bestehenden Schulformen und gewichtet diese anhand verschiedener Faktoren.
Der Teilindex untersucht mit verschiedenen Variablen den Stand der Lehrkräfteausbildung in der Ökonomischen Bildung und gewichtet dabei die fachwissenschaftliche und wirtschaftsdidaktische Ausbildung sowie das Bestehen wirtschaftsdidaktischer Professuren jeweils anhand verschiedener Faktoren.
Für den OeBiX wurde die Situation eines normalen Nebenfaches als Hundertprozentmarke gesetzt. Dazu gehören sechs Pflichtstunden und zwei Wahlpflichtstunden Wirtschaft in der Sekundarstufe I, eine Belegungspflicht in der gymnasialen Oberstufe und die Möglichkeit einer Abiturprüfung auf grundlegendem und erhöhtem Niveau. In der Lehrkräftebildung sind 100 Prozent dann gegeben, wenn jeder Ausbildungsstandort eine wirtschaftsdidaktische Professur vorhalten kann und die ECTS-Kreditpunkte für das Fach einem normalen anderen Fach in der Lehrerbildung entsprechen (ECTS = European Credit Transfer System).
Prof. Dr. Dirk Loerwald, Wissenschaftliche Leitung/Geschäftsführung
Institut für Ökonomische Bildung gemeinnützige GmbH (IÖB)
an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Das Institut für Ökonomische Bildung Oldenburg (IÖB) verfolgt das grundlegende Ziel der Förderung der ökonomischen Bildung. Diese erfolgt durch die Bereitstellung von wissenschaftlichen Erkenntnissen über ökonomische Lehr-Lern-Prozesse und die Entwicklung von Hilfestellungen für den Unterricht.
Telefon: +49 441 361 303-49
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Verena von Hugo, Vorständin
Flossbach von Storch Stiftung
Köln
Die Flossbach von Storch Stiftung ist eine gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts. Sie wurde von Dr. Bert Flossbach und Kurt von Storch mit dem Ziel gegründet, Bildung, Erziehung und Wissenschaft insbesondere in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit jedes Einzelnen und zur Stabilität unserer Gesellschaft zu fördern.
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